Als deutsche Truppen am 10. Mai 1940 im Zuge des Westfeldzuges auch in das Gebiet von Eupen, Malmedy und St.Vith einmarschierten, ahnten viele wohl noch nicht, welche Katastrophe noch über sie hereinbrechen sollte. Im deutschsprachigen Gebiet Belgiens agierten schon seit Jahren pro-deutsche Organisationen, die, meist unbehelligt von den belgischen Behörden, eine Rückkehr des Gebietes zum Deutschen Reich anstrebten, zu dem das Gebiet seit dem Wiener Kongress 1815 bis 1920 gehört hatte. Daher ist es nicht weiter verwunderlich festzustellen, dass die deutschen Truppen in unserem Gebiet meist mit Jubel empfangen wurden.
Der Führererlass vom 18. Mai 1940, mit dem das Gebiet von Eupen-Malmedy- St.Vith dem Dritten Reich einverleibt wurde, mag daher für viele die Erfüllung ihrer „heimattreuen” Wünsche gewesen sein. Im Vorfeld des Einmarsches agierten auch in St.Vith einige Werber für die nationalsozialistische Sache und manche wehrfähigen Männer, unter ihnen auch Angehörige der belgischen Armee, schlossen sich der Wehrmacht an. Nachdem diese „Grenzgänger” in Spandau eine Sonderausbildung absolviert hatten, wurden sie dem „Baulehr-Regiment 800 Brandenburg z.b.V.” zugeteilt (z.b.V. = zur besonderen Verwendung). Diese Einheit überquerte in der Nacht vom 9. zum 10. Mai die Our und überrumpelten die noch schlafenden Wachtposten. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Sprengung der Eisenbahnbrücken zu verhindern, was jedoch nicht immer gelang. In der St.Vither Aachener Straße kam es beim örtlichen Gendarmerieposten zu einem erbitterten Gefecht. Die belgischen Ordnungshüter waren der zahlenmäßigen Stärke und der besseren Ausrüstung des Gegners allerdings unterlegen und kamen in Gefangenschaft.
Obwohl in den Jahren 1940 – 1943 keine weiteren Kriegshandlungen in unserer Gegend stattfanden, war der Krieg dennoch in vielen Familien auf dramatische Weise präsent: Viele Männer wurden ab 1941 zur Wehrmacht eingezogen, kämpften an den Fronten in ganz Europa; sie kehrten – wenn überhaupt – oft genug als Schwerverletzte nach Hause zurück. Fast 40% der etwa 8.700 ostbelgischen, unter deutscher Flagge kämpfenden Soldaten sollte die Heimat nie wieder sehen.
Doch auch unser Gebiet wurde schließlich doch noch mit Krieg, Zerstörung und Tod konfrontiert. Nachdem die alliierten Verbände seit ihrer Landung in der Normandie (6. Juni 1944) die deutschen Truppen in verlustreichen Gefechten bereits auf breiter Front zurückgedrängt hatten, befahl Hitler, trotz der Einwände führender Militärs, eine Gegenoffensive mit dem Ziel, den Antwerpener Hafen zu erobern und den Alliierten damit ihre Nachschubbasis zu entziehen.
Am 9. August 1944 war das Lager Elsenborn und die Stadt St. Vith erstmals Ziel alliierter Bombenangriffe. Auch fielen vereinzelt Bomben in verschiedenen Ortschaften unserer Gegend und die Menschen mussten wegen Fliegeralarm oft Luftschutzräume aufsuchen. Der Krieg rückte also näher; am 3. September wurde seitens der NSDAP die Evakuierung der Stadt befohlen und ein „großer Treck” setzte sich in Richtung Osten in Bewegung. nach über 350 km endete der lange Marsch in Hannoverschmünden und Dransfeld; hier fanden die St.Vither Aufnahme.
Währenddessen zogen am 13. September die ersten amerikanischen Soldaten in St.Vith ein; sie befreiten damit die erste „deutsche” Stadt und setzten wieder eine belgische Verwaltung ein. Ab Oktober war St.Vith von der 2. US-Infanterie-Division “Indian Head” besetzt. Diese rückte erst am 13. Dezember in Richtung Wirtzfeld-Rocherath ab, um sich an der Eroberung der Rurtalsperren zu beteiligen; von einer deutschen Gegenoffensive ahnten die Amerikaner nichts.
In den Morgenstunden des 16. Dezember brach dann das Inferno über die Eifel herein: deutsche Geschütze feuerten aus ihren Stellungen hinter dem Westwall massiv in Richtung Westen und überraschten die anwesenden Soldaten und die Zivilisten. In der Zeit vom 18. bis 23. Dezember konnte sich jedoch der Widerstand formieren und den deutschen Vorstoß durch die Ardennen entscheidend vereiteln, denn der Verkehrsknotenpunkt St. Vith sollte schon am Abend des 17. Dezember eingenommen sein.
Besonders im Frontabschnitt zwischen Rocherath und Schönberg lieferte man sich verlustreiche und erbitterte Gefechte. Die 106. Infanterie-Divison, als Nachfolgeeinheit der 2. Infanterie-Division nach St.Vith verlegt, bestand aus zumeist frontunerfahrenen Soldaten und wurde bei Lindscheid (bei Schönberg) in mehrfacher Regimentsstärke in deutsche Gefangenschaft abgeführt.
Bis zum 23. Dezember war es der 7. US-Panzer-Divison unter General Bruce C. Clarke gelungen, den Vorstoß der Wehrmacht bis St.Vith zu hemmen. Er zog sich daraufhin mit seinen Truppen bis hinter Vielsalm zurück. Die deutschen Truppen, die unter dem Oberbefehl von General Hasso von Manteuffel standen, zogen wenige Tage vor Weihnachten wieder in die Stadt ein.
An den beiden Weihnachtstagen brach dann die totale Katastrophe über die Stadt herein: An beiden Tagen flogen alliierte Verbände mehrere Bombenangriffe gegen die Stadt, die dadurch praktisch dem Erdboden gleichgemacht wurde. Hunderte Menschen verloren ihr Leben; allein im Keller der Klosterkirche starben über 100 Schutzsuchende unter den Trümmern; von den ca. 600 Häusern der Stadt blieben nur 9 unbeschädigt.
Am 23. Januar 1945 zog die 7. US-Panzer-Divison auf ihrem Weg gen Westen erneut durch St.Vith, doch die Stadt hatte keine strategische Bedeutung mehr. Dennoch kann die Verteidigung St.Vith durch General Clarke als wesentlicher Beitrag zum endgültigen Scheitern der Ardennenoffensive betrachtet werden.